Donnerstag, 25. Juni 2009

Das erste Mal


Die Wahrscheinlichkeit spricht dafür, dass der Wunsch zu töten sehr oft mit dem Wunsch, selber zu sterben oder sich zu vernichten, zusammenfällt.
- Albert Camus (Werk: Betrachtungen zur Todesstrafe)

Hätte mich vor 10 Jahren Jemand gefragt, womit ich meinen Lebensunterhalt verdienen werde, wäre meine Antwort das absolute Gegenteil von der Realität, in der ich mich heute jeden Tag bewege. Damals stand ich vor meinem Entschluß meinem Dasein ein Ende zu bereiten. Es war ein Zeitpunkt in meinem Leben, an dem ich mit allen Bereichen abgeschlossen hatte. Der Wille weiterzumachen, Neues zu entdecken und sich den täglichen Herausforderungen zu stellen war überall - nur nicht in mir. Nichst war von Bedeutung. Nichts machte Sinn. Die einzige Hoffnung, die mir noch blieb, war die Gewissheit einen bis dahin langersehnten Weg zu beenden und Frieden zu finden, welchen ich schon lange nicht mehr erfahren hatte.
Nach der Verabschiedung von meinen Freunden und Bekannten flog ich ein entferntes Land, um mein Vorhaben weit entfernt von allen, die versucht hätten mich aufzuhalten, durchzuführen.
In Q-City nahm ich mir ein Zimmer im Plaza-Hotel. Mein Geld reichte für einen Aufenthalt von einer Woche. Ich legte mir vorher einen bestimmten Betrag, von dem ich wusste, dass ich ihn noch brauche, zur Seite. Jede Nacht durchstreifte ich die Bars der Altstadt, um an eine großkalibrige Schusswaffe zu kommen. Am dritten Abend wurde ich fündig.

Durch meine jahrelange Erfahrung mit dem Umgang von diversen Feuerwaffen, kam für mich nur ein Tod in Frage. Sicherlich hätte ich mir auch im auf dem heimatlichen Schießstand eine Kugel durch den Kopf jagen können. Aber ich wollte es auf diese spezielle Art. Ich wollte zurück nach Q-City, wo ich einige Jahre verbrachte. Hier fühlte ich immer eine gewisse Spannung, die Magie dieses Ortes ist zum greifen nah. Damals habe ich noch gespielt. Jedes Wochenende besuchte ich das Kingston Casino und forderte das Glück heraus. Dort lernte ich James Havenwood kennen. Der Amerikaner teilte meine Spiellust und wir verbrachten ganze Abende am selben Black Jack Tisch. Wie sich herausstellte war James ein nicht gerade Unbekannter in Q-Citys Unterwelt. Als wir beide mehr und mehr Freunde wurden, erzählte er mir eher prahlerisch davon. Er hielt mich immer für sein unschuldiges Ich und rieb mir bei jeder Gelegenheit unter, wie gleich wir doch wären. Ich muss zugeben, dass ich immer von ihm, seiner Position und seiner Macht fasziniert war, dennoch fürchtete ich zu sehr mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten, als dass ich selber etwas Unrechtes tun würde.
Als ich James an diesem Abend wieder traf zeigte er sich sichtlich glücklich über unser Wiedersehen. Sein sündhaft teurer maßgeschneiderte weiße Leinenanzug machte deutlich, dass die Geschäfte wohl immernoch gut laufen würden.
Wir befanden uns in einer kleinen Sushi-Bar, wo er mir stolz erzählte, dass er mich erwartet hatte. Es stellte sich heraus, dass er über meine Ankunft in Q-City Bescheid wusste. Er hatte gehofft, dass ich ihn um einen Job bitte, aber nicht um Hilfe, mein Leben zu beenden. Da er von meiner Suche nach einer Schusswaffe gehört hatte, ging er davon aus, dass ich in Schwierigkeiten sei. Nun, als er den wahren Grund dafür kannte, versteinerte sein Gesicht. Er wusste, dass ich mit so etwas nicht scherzen würde und es ernst meinte. Natürlich machte ich ihm gleich klar, dass er es gar nicht erst probieren solle, mir meine geplante Handlung auszureden. Er akzeptierte meinen Entschluss. In diesem Moment wurde mir klar, wie schnell ein Mensch seine Gefühle erkalten lassen kann. Als er aufstand, um zu gehen, gab er seinem Leibwächter, ein Zeichen. Dieser überreichte mir eine Schachtel. In ihr befand sich eine 357 Magnum Desert Eagle. Anhand des Gewichtes erkannte ich, dass alle 9 Patronen im Magazin waren. Ich nickte meinem Freund dankend zu.
In diesem Moment schwang die Tür der Sushi-Bar auf und ein Schuss peitschte durch den Raum. James Leibwächter brach sofort zusammen, aus seinem Hals schoss eine Blutfontäne heraus. Instinktiv richtete ich die Waffe in Richtung Tür und zielte auf den breitschultrigen Mann, der in seinem schwarzen Anzug da stand und seinen Revolver auf James richtete. Ich drückte ab. Obwohl schon die erste Kugel den Kopf des Angreifers zurück riss und dabei in Stücke zerplatzen ließ, leerte ich das komplette Magazin.

Später am Abend saß ich in meinem Zimmer des Plaza-Hotels und dachte nach.
Alles soll einen Sinn und Zweck haben.
Nichts geschieht aus Zufall.
Ursache und Wirkung.
Aktion und Reaktion.
War es meine Bestimmung hier und jetzt an diesem Ort zu sein?

Doch etwas anderes wurde in dieser Nacht in mir geweckt. Die Gewissheit, dass es mir nichts ausmachte ein Leben auszulöschen. Bei meinem eigenen hätte ich es, falls erfolgreich, nicht mehr wissen können. Ich spürte nachdem ich realisierte, was in der Sushi-Bar abeglaufen war, nichts Negatives, weder Schuld noch Reue.
Das Adrenalin pumpte jeden Zweifel in mir fort und ich war mir nicht einmal einer Schuld bewusst! War ich über die Jahre hinweg emotional gestorben?
Meine instinktive Reaktion diesen fremden Assassinen zu töten, erschreckte mich zwar, aber ich fühlte mich gut dabei. Und das machte mir zuerst Sorgen.

Ich hatte genug Zeit mir über diese Dinge Gedanken zu machen. Neben mir auf dem Bett lag eine Schachtel mit Patronen. James war der Meinung, dass ich sie ab heute bräuchte. Wenn ich endlich zur Vernunft kommen würde und diese in seinen Augen dämlichen Selbstmordgedanken streichen würde, dann hätte er eine Aufgabe für mich.

Ich traf ihn, um mir ein Mittel zu geben, womit ich mein Leben beenden konnte, stattdessen rettete ich seines und wurde ein Mittel, um dieses auch in Zukunft zu tun. Diese Verpflichtung, die uns beide an diesem Abend überrollte stärkte unsere Bindung. Wochenlang versuchte ich ihn zu überreden, dass ich nicht qualifiziert genug sei, sein Leib und Leben zu beschützen. Ich fühlte mich dieser Aufgabe nicht gewachsen, doch das sollte sich ändern.

Heute gehöre ich nicht zu seinen Leibwächtern, sondern repräsentiere seinen Zorn.
Wer auch immer James Zorn auf sich lenkte, würde auf meiner Liste erscheinen.

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