Freitag, 26. Juni 2009

Ein Leben im Fadenkreuz



Wäre der Tod nicht, es würde keiner das Leben schätzen. Man hätte vielleicht nicht einmal einen Namen dafür.
Jakob Bosshart (1862-1924), schweizer. Erzähler

Es war einer dieser Aufträge, die ich nicht mochte. Eigentlich war es das Erhalten des Auftrages, was ich nicht mochte. Wenn ich eines hasse, dann ist es in der Nacht durch mein Mobiltelefon geweckt zu werden. Aber dafür hatte ich es ja - es ist die Zeit, wo der Mensch immer erreichbar sein wollte oder wie im meinem Fall musste.
Also loggte ich mich in meinem Computer und entschlüsselte meine Nachrichten. Wir erhielten ausstehende Aufträge durch Bildnachrichten, welche mit einem speziellen Coder dechiffriert werden konnten.
<Muss innerhalb der nächsten 7 Tage erledigt sein!> entnahm ich der Zeitfensterleiste.
<Art der Exekution: öffentlich und aufsehenerregend>
Mmmhhh....ich hatte noch keinen öffentlichen Auftragsmord angenommen. Bisher erledigte ich nur die Fälle, wo das Opfer von irgendjemanden irgendwann gefunden werden konnte. Tage oder Wochen später spielten keine Rolle. Wichtig war nur, dass die Zielperson von der Bildfläche verschwand. "Öffentlich und aufsehenerregend" bedeutete: es muss durch die Presse gehen und alle sollen es erfahren, wenn es passiert.
Mein Bett begann auf mich eine starke Anziehungskraft auszuüben und ich beschloss den Auftrag einen Anderen zu überlassen.
Am nächsten Morgen bekam ich dann einen Anruf von James. Ob ich mein Handy nicht gehört habe und warum ich den Auftrag nicht annehme. Ich erklärte ihm, dass dies mein erster öffentliche Job sei und verwies auf meine Unerfahrenheit und Sorge, dass es schief gehen könnte.
"Du bist der einzige verfügbare Mann innerhalb der Frist. Ach, das machst du schon, ich vertraue da auf deine Fähigkeiten und deine Phantasie," versuchte er mich zu überzeugen.
Nach kurzer Überlegung, grummelte ich ein: "Wie aufbauend," ins Telefon. "Okay, ich gebe mein Bestes, wie immer."
"Davon gehe ich aus." James legte auf.
Ich druckte mir die nötigen Informationen zur Zielperson aus. Thomas F. Santiago war ein Banker. Ein spielsüchtiger und gleichermaßen hochverschuldeter noch dazu. Wenn man der Organisation Geld schuldet - und ich rede hier von einer erheblichen Summe - dann sollte man alles daran setzen, dass wieder zu ändern. Mr. Santiago war aber der Meinung, dass man überschüssige Barschaft eher in Personenschutz investiert, als in die Tilgung. Er setzte damit, zusammen mit seinem Fernbleiben am Spieltisch ein deutliches Zeichen. Ich konnte mir vorstellen, was das für ein spöttisches Licht auf die Organisation warf. Dieses Licht sollte nun in aller Öffentlichkeit ausgeblasen werden. Zusammen mit der Lichtquelle versteht sich. Bei meiner Recherche entdeckte ich ein Golfturnier, dass in 4 Tagen stattfinden sollte. Thomas Santiago stand auf der Teilnehmerliste. Dass er auch auf meiner Liste stand, würde schwerwiegende Auswirkungen auf sein Handycap haben.
Nachdem ich mich am nächsten Morgen gründlich auf dem Golfplatz umgesehen und mich für eine Position mit gutem Schussfeld entschieden hatte, begab ich mich zu Guns & Ammo. Dies war ein Waffengeschäft, welches der Organisation als eine der vielen offiziellen Läden diente. Hier bekamen wir alles, was wir für unser tödliches Gewerbe benötigten. Die Besitzerin Charlene, von uns Charlie genannt, legte ein hämisches Grinsen auf, als ich sie nach einem speziellen Jagdgewehr fragte.
"Fährst du auf Safari oder erledigen Jimmys Leute jetzt auch schon Elefanten im Zoo?"
Sie überraschte mich in keinster Weise. Natürlich war das Kaliber, was ich für diesen Auftrag ausgewählt hatte extrem übertrieben, aber ich wollte schon immer mal sehen, wie sich eine Kugel aus diesem Gewehr auf einen Körper auswirkt.
"Weder noch. Mich nerven ein paar Tauben auf dem Dach. Ich glaube, die haben da ein Nest. Hast du noch eine Marlin da oder soll ich zu Frederico rüber?"
"Lass mich nachschauen, ich gehe mal nach hinten ins Lager," augenzwinkernd verschwand sie durch einen Vorhang.

...to be continued

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